Thursday, July 13, 2006

Zu Gast daheim bei Freunden - WM 2006

Es tat natuerlich gut, auch wenn es verrueckt ist, fuer etwas mehr als ein verlaengertes Wochenende nach Deutschland zu fliegen, vor allem wenn man praktische jede Nacht in einer anderen Stadt, bei anderen Freunden oder Verwandten auf diversen Couchen und in diversen Betten schlaeft, noch dazu waehrend - oder besser gesagt zu Beginn - der Weltmeisterschaft: zu Gast daheim, bei Freunden.

Anlass war eine Taufe in B., wo ich viele alte Freunde wiedergesehen hatte. Zwei herrliche Abende, bis spaet in die Nacht, unter freiem deutschen Himmel. Allein die Ankunft war perfekt: der Flug von Amsterdam nach H. an einem klaren Junitag unterscheidet sich so sehr vom Abflug aus Kalifornien: dort die einsame Weite des karg-karstigen Westens, die Taeler schachbrettartig durchzogen vom Jeffersonischen Schachbrettmuster, welches westlich des Misssippi beginnt und sich bis zum Pazifik erstreckt, um dieses gewaltige Land zu unterteilen - und hier die kleinteiligen, barock-unregelmaessigen Zuschnitte von Feldern, Waeldern und Wiesen, Europaische, wieder und wieder zerteilte, europaeische Kulturlandschaft. Dort staubige grau-braun Toene, hier: sattes, fast feuchtes Gruen, man sieht foermlich die Feuchtigkeit der untereren Luftschichten ueber der sonnig-schwuelen Sommerlandschaft wabern.

Das Angenehme, wenn man aus dem Flugzeug steigt: aufgeraeumte Sauberkeit in deutschen Flughafen, ueberall. Sinnigerweise passend zum ersten WM-Tag komme ich zeitgleich an mit der angolanischen Nationalmannschaft, der gesamte Flughafen ist ein Meer an bunten Fahnen, froehlicher Angolaner und beflissentlich-freundlicher WM-Assistenten.

Schon am Nachmittag des Tauffestes beginnt die WM mich zu interessieren, das wohl schon lange unkubierte WM-Fieber scheint auch mich, der ich nie ein grosser Fussball-Fan war, anzustecken: die ersten Spiele laufen, und werden in den naechsten Tagen beinahe selbstverstaendlich nebenher mitverfolgt.

In Duesseldorf, das gleiche Bild: ueberall ist Volk am verkaufsoffenen Sonntag unterwegs, ein unerhoertes Sonntagsbild in deutschen Staedten. Grossbildschirme, Fahnen, Zuege, die zwar voll sind, aber mit froehlichen Menschen darin.

Ueberhaupt: Bahnfahren an strahlenden Sommertagen in Deutschland: gibt es schoeneres? Die Naehe der Staedte zueinander: kaum zwei Stunden, und man ist in einem neuen Landstrich, einer komplett anderes gearteten Stadt. Ruhrgebiet, Rheinland-Pfalz, Schwaben, schaebisches Bayern, Oberbayern: alles kurzweilig aneinandergereiht und lieblich vorueberziehend am Fenster des ICE.
Man merkt erst wieder, wie langweilig-langatmig der amerikanische Westen ausgedehnt ist, wo zwei Stunden flotteste Fahrzeit einer langgedehnten Zeitlupeneinstellung gleicht, in der nichts Wirkliches geschieht, aussser der Wiederholung der immer gleich eintoenigen Schilderwaelder: McDonalds, Burger King, Denny's, Shell, Unocal 76, Chevron, Motel 6.

In Muenchen den HB Biergarten am Wiener Platz besucht: gerammelt voll, auch hier die Grossbildleinwand und Hunderte jubelnder Menschen, trotzdem hatten S. und ich einen Tisch gefunden. Was allein der Flug wert war: Schweinshaxe und einen Teller Obatz'n, dazu drei Mass, und mehrere Koerbe Brezen. Auch wenn es einem schlecht ist am naechsten Tag, man weiss ja wofuer, und macht am besten weiter mit einem zuenftigen Fruehstueck auf S's Balkon. Der Jetlag treibt einen aus dem Bett, deshalb gleich zum Mueller und wieder frische Brezen und die Tageszeitung holen.

Dann endlich daheim in Franken auf dem Land, Dekompression in vertrauter Umgebung, man wird wieder fast Kind, einer der beidenHunde lebt noch, wenn auch alt geworden. Viele unscheinbare Familienrituale im kurzen, intensiven Alltag, als will man sagen: Du bist nie weg gewesen. Schwuele Hitze, Grillen im Garten, unserer Mutter badet wie immer zu lange und zu ausgiebig in der Sonne, wie immer schon; nach wenigen viel zu kurzen Tagen und guten Gespraechen kuesst man Mutter, Schwester, Stiefvater und steigt wieder fruehmorgens in Nuernberg in den Flieger, und ist am Nachmittag schon wieder im anderen, neuen "daheim" - dort, wo die Flughafen ein wenig schmuddeliger, kerosingescheschwaengerter sind; wo die Hitze eine viel trockenere ist und sich deshalb fast nie wirklich heiss anfuehlt, wo man mit iranischen Taxifahrern, die ebenfalls Fussball hoeren moechten, nach Hause faehrt, um dort schnell im Netz nachzusehen, wo man am besten das Achtelfinalspiel angucken sollte.