Thursday, March 16, 2006

Konservativ beim ARD

Zur Zeit sehe ich viel Tagesschau und Tagesthemen, denn der Ver.di Streik betrifft mich ganz persoenlich: zehn Jahre Leben in Stuttgart, das waren zehn Jahre samstaegliche Kehrwoche, saubere Strassen, und Oberbuergermeisterliche Aktionen wie z.B. "Lets Putz" - und hier nun stehen in dichten Reihen schon seit Wochen die Muellsaecke am Strassenrand. Fuer den Expatriate ist das die Gewissheit, dass sich derzeit einiges in Deutschland aendert.

Eines hat mich in der Berichterstattung dann doch gewundert - das immer als etwas linkslastige geltende Erste Deutsche Fernsehen hatte im Kommentar Sympathie fuer den Aerztestreik bekundet, und dem Zuschauer erklaert, dass ein deutscher Arzt im Ausland das zwei- bis dreifache verdient wie im Inland. Moment, dachte ich, jetzt ist das ARD doch etwas konservativ - in der Schaetzung naemlich: meine Schwester, eine Medizinstudentin, welche aufgrund ihrer Besuche direkte Vergleichsmoeglichkeiten hat, kontert, dass der amerikanische Arzt im Mittel das Fuenffache verdient. Es sieht so aus, als wuerde die Schwarzwaldklinik der Achtziger Jahre demnaechst mangels Finanzkraft dichtgemacht werden. Und der nette, grau gewordene Cabrio-Arzt aus der Werbung und der schicke Porsche-Architekt aus der Vorabendserie reichen sich die Hand, haengen die alten Berufe an den Nagel und machen stattdessen in der alten Klinik ein "Black Forest Bed and Breakfast" auf - rechtzeitig fuer die neuen Aerzte-Kollegen aus Bangelore auf Urlaub. Immerhin: noch muss keiner in Westeuropa oder USA seine Niere als Sicherheit verpflichten, wie der Produzent eines Suedkoreanischen Musicals, welches von den Nordkoreanischen, real existierenden Konzentrationslagern handelt.

Was beklagen wir uns also: so lange der Kuehlschrank noch voll und die Strasse einigermassen frei von Muell ist, geht es uns doch besser als 75% der Weltbevoelkerung.